"Verlernen" von problematischem Verhalten

Unter dem Begriff Verhaltenstherapie werden eine Vielzahl von Therapieansätzen und ein breites Spektrum psychotherapeutischer Methoden zusammengefasst. Diese Therapieform wurde überwiegend in den USA aus der Lerntheorie entwickelt.

Die zugrunde liegende Idee aller Ansätze ist, dass unser Verhalten erlernt wird und somit auch problematische Verhaltensweisen wieder verlernt werden können. Daraus folgt, dass es möglich ist, auch im späteren Leben neue, angemessene Verhaltensmuster zu erlernen.

In den letzten Jahren hat sich die Verhaltenstherapie vielfältig weiterentwickelt, wobei besonders die Integration kognitiver Elemente hervorzuheben ist. Dies bedeutet eine Erweiterung des Fokus über das bloße Verhalten hinaus; es werden zunehmend auch die Erfahrungen, Gedanken und Gefühle der Klienten in den therapeutischen Prozess einbezogen.

Was versteht die Verhaltenstherapie unter Verhalten?

Verhalten umfasst nicht nur die äußeren Verhaltensweisen oder körperlichen Reaktionen, die bei Menschen beobachtet werden können. Es schließt ebenso die Gefühle, Gedanken und Motive ein sowie die Art und Weise, wie jemand sich selbst und seine Umgebung bewertet.

Das Verhalten beeinflusst, wie ein Mensch durch sein Leben geht: Kann er seine Bedürfnisse ausdrücken und ein angemessenes Verhalten gegenüber sich selbst und anderen zeigen? Verfügt er über die Fähigkeiten, sich in eine Gemeinschaft einzugliedern und aktiv zu partizipieren? Hat er gelernt, sich jemandem so anzuvertrauen, dass er eine tiefere Bindung eingehen kann?

Wenn eine Person in wichtigen Lebensbereichen Schwierigkeiten hat, gut für sich zu sorgen, kann die Verhaltenstherapie helfen, einen besseren Umgang mit sich selbst zu erlernen.

Wann eignet sich eine Verhaltenstherapie?

Die Verhaltenstherapie bietet Unterstützung, wenn das Denken, Fühlen, Erleben oder Handeln gestört ist. Sie ist sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche geeignet und hat sich bei vielen psychischen Störungen als sehr wirksam erwiesen. Dazu gehören insbesondere Depressionen, Angststörungen — einschließlich Phobien und Panikstörungen — sowie Zwangsstörungen und Suchtproblematiken. Auch bei Schlaf- oder Sexualstörungen kann Verhaltenstherapie hilfreich sein, ebenso wie bei körperlichen Erkrankungen, zum Beispiel zur besseren Bewältigung von chronischen Schmerzen.

Was passiert in einer Verhaltenstherapie?

Zu Beginn der Therapie geht es darum, das Verhalten zu identifizieren, das Schwierigkeiten im Leben des Klienten verursacht. Der Psychotherapeut arbeitet gemeinsam mit dem Klienten daran, das eigentliche Problem zu analysieren und die zugrunde liegenden Verhaltensmuster zu verstehen. Anschließend werden Therapieziele definiert, die Behandlungsprinzipien erläutert und ein individueller Therapieplan erstellt.

Das Ziel dieser Therapieform ist es, mit der Unterstützung des Therapeuten nach und nach neue Verhaltensweisen zu erlernen. Der Klient soll die Fähigkeiten entwickeln, um seine Ziele effektiver zu erreichen und besser mit sich selbst sowie seiner Umwelt umzugehen.

In fachlichen Begriffen soll dysfunktionales Verhalten in funktionales Verhalten umgewandelt werden.

Die Therapie orientiert sich an Zielen und Lösungen. Häufig werden Verhaltensübungen eingesetzt, die sowohl offen (in der Sitzung oder als Hausaufgaben) als auch verdeckt, das heißt in der Vorstellung der Klienten, durchgeführt werden können. Zu den klassischen Methoden der Verhaltenstherapie gehören die Konfrontation mit angstauslösenden Reizen (wie Exposition oder systematische Desensibilisierung), die Verstärkung ("Belohnung") von erwünschtem Verhalten und die Löschung ("Nichtbeachtung") unerwünschter Verhaltensweisen.

Es ist entscheidend, dass der Klient aktiv an der Therapie mitarbeitet und auch außerhalb der Sitzungen sogenannte Hausaufgaben bearbeitet. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist ein zentraler Aspekt in der Verhaltenstherapie. Daher wird der Klient in den Sitzungen mit Methoden und Techniken vertraut gemacht, die er regelmäßig Zuhause oder unterwegs anwenden kann.

Welche Schwierigkeiten können bei einer Verhaltenstherapie auftreten?

  • Wenn Sie eher daran interessiert sind, Ihre Schwierigkeiten oder Ihr Verhalten zu verstehen, als konkrete Veränderungen anzustreben, könnte die Ausrichtung der Therapie auf spezifische Veränderungen für Sie problematisch werden. Überprüfen Sie also, ob es Ihnen wirklich um spürbare Veränderungen geht.

  • Wenn Sie sich durch die Aufgaben, die Sie während der Sitzungen erledigen sollen, überfordert fühlen. Solch ein Gefühl kann beispielsweise auftreten, wenn Sie versuchen, mit der Therapeutin im Aufzug zu fahren, obwohl der Gedanke daran bereits Angst auslöst. Der Therapeut sollte die Aufgaben an Ihre Bedürfnisse anpassen, aber manchmal gelingt dies nicht optimal. Zögern Sie nicht, Ihre Gefühle der Überforderung anzusprechen; Therapeuten sind auf Ihr Feedback angewiesen.

  • Es kann auch vorkommen, dass auch nach der Lösung eines bearbeiteten Problempunkts weiterhin viele andere ungelöste Schwierigkeiten bestehen. Manchmal lösen die Arbeiten an kleinen Problemen nicht das zugrunde liegende „eigentliche“ Problem.

    Schwierig wird es zudem, wenn Sie das Prinzip der „kleinen Schritte“ nicht akzeptieren können. Eine Patientin sagte beispielsweise: „Selbst wenn ich gegenüber meinen Arbeitskollegen sicherer auftrete, gibt es noch unendlich viele Personen, bei denen ich mich unsicher fühle und mich entsprechend verhalte. Ich bin einfach ein ängstlicher Mensch!“ Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die Philosophie der „kleinen Schritte“ zu akzeptieren, kann dies während der Therapie immer wieder zu Konflikten führen.

  • Ein weiteres Problem könnte sein, dass Sie sich nicht an Vereinbarungen halten. Diese Schwierigkeit kann auftreten, wenn Sie den Nutzen einer bestimmten Vereinbarung nicht erkennen. Klären Sie daher mit dem Therapeuten, welche Punkte Ihnen die Einhaltung so schwer machen. Wenn Sie unsicher sind, ob Sie überhaupt Vereinbarungen treffen möchten, könnte es besser sein, auf diese Methode vorerst zu verzichten.

    Wie wird die hohe Erfolgsquote wissenschaftlich belegt?

    Zahlreiche klinische Studien weisen die hohe Erfolgsquote von verhaltenstherapeutischen Methoden nach. Es liegen umfassende wissenschaftliche Ergebnisse vor, die die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie für verschiedene psychische Störungen belegen. So haben Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg, unter der Leitung von Benjamin Straube und Tilo Kircher, in einer Studie von 2022 bei Menschen mit Panikstörung festgestellt, dass eine erfolgreiche Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie mit veränderten Hirnaktivitäten einhergeht.

    Die Entstehung einer Panikstörung ist häufig begleitet von einer verzerrten Verarbeitung sprachlicher und nichtsprachlicher Bedeutungen sowohl über die Welt als auch über das eigene Selbst. Nach der Verhaltenstherapie normalisierte sich jedoch die sprachliche Verarbeitung der Studienteilnehmer. Dieser Behandlungserfolg zeigte sich in der Hirnaktivität: In einem bestimmten Hirnbereich, der für die Verarbeitung panikbezogener Wortpaare zuständig ist, kam es zu einer Dämpfung der Aktivität.

    Das Forschungsteam verwendete die Magnetresonanz-Bildgebung, um die Hirnaktivitäten der Studienteilnehmer zu untersuchen, während diese gleichzeitig eine sprachliche Aufgabe bearbeiteten. Diese Aufgabe beschäftigte sich mit den Symptomen einer Panikattacke, die oft durch typische Auslöser wie das Wort „Aufzug“ hervorgerufen werden, das Betroffene häufig mit einem Gefühl der Enge und Angst verbinden.

    Wie schnell wirkt Verhaltenstherapie?

    Viele Klienten bemerken bereits nach wenigen Tagen eine erste positive Veränderung durch die Therapie. Allerdings dauert es etwa sechs bis zwölf Wochen, bis die akute Phase überwunden ist. Damit ist die Therapie meist jedoch noch nicht abgeschlossen.

    In Deutschland zählt die Verhaltenstherapie zu den sogenannten Richtlinienverfahren. Dies bedeutet für gesetzlich versicherte Klienten, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Verhaltenstherapie übernehmen, sofern diese von psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt wird.

    Im Rahmen der Akutbehandlung kann man in der Regel schnell mit einer Verhaltenstherapie beginnen, vorausgesetzt, es wurde zuvor in einer psychotherapeutischen Sprechstunde eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Die Akutbehandlung kann bis zu 24 Sitzungen à 25 Minuten umfassen und in eine Kurz- oder Langzeittherapie übergehen.